Die Kastration

Es ist ein schöner Donnerstagmorgen im April 2011, 07:30 Uhr, als ich auf dem Hof eintreffe. Heute soll es also passieren: Aus meinem Hengst wird ein Wallach und er hat keinen Schimmer davon, was ihn an diesem Tag erwartet. Ein bisschen aufgeregt bin ich ja schon, das muß ich zugeben und langsam beschleicht mich ein mulmiges Gefühl: Wird alles gutgehen? Wird er die Vollnarkose und die OP gut überstehen?

 

Schnuffel begrüßt mich wiehernd, als ich um die Ecke komme und schaut mich mit diesem warmen Blick an, der mich von Anfang an in seinen Bann gezogen hat. Ich begrüße ihn und seinen Stall-  oder besser gesagt Leidensgenossen mit einem Leckerlie und versuche, beiden zu erklären, was sie gleich ereilen wird. Schnipp schnapp. Dann sind die beiden Wallache. Ich sehe auf die Uhr, kurz vor acht. Wo zum Teufel bleibt denn nur der Doc? Langsam werde ich nervös.

 

Dann kommt Guido um die Ecke. Wir unterhalten uns ein paar Minuten und er beruhigt mich. Es sei noch nie etwas schief gegangen, aller bisher hier kastrierten Fellnasen haben die OP und die Vollnarkose gut überstanden und waren recht schnell wieder fit. "Und doch ist es eine OP...", schiesst es mir durch den Kopf. Aber mir bleibt keine Zeit zum Nachdenken, da kommt der blaue Bulli des Docs um die Ecke. Er erklärt mir alles, klärt mich über die Risiken auf, bereitet alles vor und dann geht es auch schon los. Guido und seine lockere Art helfen mir, nicht ins Nachdenken zu geraten und schon bin ich ruhiger geworden.

 

Schwupp, schon ist die passende Stelle am Hals gefunden und der kleine Mann wird rasiert. Sieht lustig aus, ich hoffe, es wächst schnell wieder zu, so eine kahle Stelle gefällt meinem Showman gar nicht :-) Dann wird der Zugang gelegt und die erste Sedierung verabreicht. Ich merke, wie der Kleine von Minute zu MInute schläfriger wird und nach ein paar Minuten führen wir ihn zu dritt mit vereinten Kräften auf die Koppel.

 

Ein Vögelchen zwitschert, als wir mit dem wie betrunken schwankenden Hottili auf der Koppel ankommen. Für die paar Meter haben wir eine gefühlte Ewigkeit gebraucht. Ehe ich mich versehe, liegt Schnuffel auch schon auf der Seite und es geht los. Ich bleibe vorne am Kopf, checke die Vitalfunktionen, prüfe die Atmung und bin froh, ein Teil des Ganzen sein zu dürfen. Nach einer guten Viertelstunde ist es auch schon vorbei und die Hoden liegen im Gras. Ein außergewöhnlicher Anblick. Schnipp schnapp. Nun sind sie ab...

 

Jetzt folgt die heikelste Phase: Abwarten, bis die Narkose nachlässt und der junge Mann aufwachen wird. Da er ziemlich hoch narkotisiert wurde, wird das ein Weilchen dauern und ich bleibe vorn am Kopf hocken, um ihn daran zu hindern, ruckartig aufzustehen. Wenn er zu früh oder zu schnell aufsteht, erhöht sich das Risiko und nach einer erfolgreichen OP möchte ich nicht den Kommentar "OP gelungen, Patient tot!" hören!

 

Da liegt er und schnarcht... Ja, er schnarcht wirklich! Ich hätte es auch nicht geglaubt, wenn ich es nicht mit eigenen Ohren gehört hätte. Und wie der schnarcht... Nach schier endlosem Warte fängt er langsam an, aufzuwachen und munter zu werden. Wir lassen ihn noch ein Weilchen liegen, bis er wacher ist und manövrieren ihn dann mit vereinten Kräften in seine Box zurück. Seinen Leidensgenossen haben wir vorher in eine andere Box gebracht und Schnuffel soll jetzt erstmal seinen Rausch ausschlafen. Derweil wird sein Kumpel kastreiert werden.

 

Bis mein Kleiner völlig wach und wieder Herr seiner Sinne ist, bleibe ich bei ihm, er soll ja schliesslich noch nicht fressen und sich in seinem Dämmerzustand bittesehr auch nicht verletzen. Aber es geht alles gut und nach gut zwei Stunden ist er wieder ganz der Alte.

Zwischenzeitlich ist auch die zweite Kastration gut über die Bühne gegangen und der zweit Neu-Wallach döst in seiner Box vor sich hin. Ich bleibe noch ein Weilchen, dann muss ich auch schon wieder arbeiten :-( Aber nach Feierabend schaue ich natürlich noch einmal rein, mus doch wissen, dass es dem Hasen gut geht, und das tut es :-) Also kann ich ganz beruhigt nach Hause fahren, denn ich weiß ja, dass mein Monster alles bestens überstanden hat :-)